Naturspiritualität als Geschäftsmodell?

Esoterik versus Spiritualtiät

Wo bewegen wir uns hin?

In einer zunehmend säkularen Welt mit einhergehender Digitalisierung samt Angstpropaganda und Gesundheitsthemen nimmt das Bedürfnis nach Verwurzelung, nach Einfachheit, nach Ursprünglichem, nach Geistesruhe, nach Rückverbindung, nach Seelenanker zu. Die Angebote dazu sind vielfältig. Und so stehen Retreats in Klöstern, Aschrams, Schwitzhütten und anderen spirituellen Rückzugsorten seit 2 Jahrzehnten hoch im Kurs.

Wäre meine Großmutter noch am Leben (1977 hinübergegangen), so würde sie’s bestimmt nicht fassen können, womit ich heute meinen Lebensunterhalt verdienen darf, ja dass mein Angebot überhaupt einen wirtschaftlich-gesellschaftlichen Wert haben kann: Menschen das Seele-Baumeln näher zu bringen, das Nicht-Tun, abseits von Bildschirmen. Das Spüren im Sein.

Die Antwort auf die Frage, was uns dieses Spüren bringt, sollte mittlerweile überall angekommen sein. Da stellt sich vielleicht eher die Frage: Warum brauchen wir dazu überhaupt eine Anleitung oder eine Gruppe? Darauf gehe ich gern in einem separaten Beitrag ein. Heute möchte ich zwei – häufig missverstandene – Begriffe unter die Lupe nehmen.

Esoterik

Oft höre ich Aussagen wie „Ach das ist mir zu esoterisch.“ Ohne die Begriffsdefinition zu kennen wird derart das jeweilige Thema im Keim erstickt. Der Begriff „Spiritualität“ ist spürbar akzeptierter.

Warum ist das so?

Der Begriff „Esoterik“ kommt vom altgriechischen Wort „esoterikos“ und bedeutet so viel wie „nach Innen gewandt“. Er umfasst eine sehr alte philosophisch-mystische Geheimlehre. Dabei geht es um Symbole, Praktiken und Erfahrungsaustausch unter „Eingeweihten“, mit dem tiefen Wunsch nach Erkenntnis. Esoterik beschäftigt sich also mit Innenschau und Geheimwissen, das nur einem inneren Kreis verfügbar war, wie zum Beispiel der Theosophischen Gesellschaft.  Der Begriff „Esoterik“ wird heute meist abwertend benutzt und mit Pseudowissenschaft in Verbindung gebracht, wie etwa Kaffeesudlesen, Tarot, Aura sehen, Gedanken lesen. Esoterik entzieht sich– mehr oder weniger – einer wissenschaftlichen Verifizierung.

Warum der Esoterik-Begriff allgemein auf derartige Ablehnung stößt, kann ich nicht wirklich beantworten. Doch ich erlaube mir den Versuch, dies aus verschiedenen Perspektiven herzuleiten. Zum einen mag es am Wirken einiger Scharlatane und/oder am Image der Freimaurer und etlicher weiterer Geheimbünde liegen, ja möglicherweise könnten einflussreiche, machthabende Gruppen sogar Interesse daran haben, diesen Begriff bewusst abzuwerten. Denn wer die Lebensgesetze durchschaut ist nicht mehr auf die alte Weise lenkbar (Konsum und weitere Süchte). Dies ist natürlich alles Gedankenspiel und insofern Spekulation.

In esoterischen Anschauungen jedenfalls ist Alles in Allem enthalten. Vieles lässt sich durch Betrachtung der kleinsten Teile erforschen. Und tatsächlich ist es faszinierend, wie das Größere aus den kleineren Teilen zusammengesetzt ist, die letztlich genauso aussehen wie das Größere. Hast du dir das anhand eines Baumes oder eines Farnes schon mal näher angesehen?

Eine weitere Definition von Esoterik kommt von der hochgeschätzten Vera F. Birkenbihl:  Die innere und die äußere Welt beeinflussen sich gegenseitig und sind voneinander abhängig. Die äußere Welt spiegelt die innere Welt. In diesem Zusammenhang spricht Birkenbihl auch von „Exoterik“: Situationen im Außen (Erlebnisse, Erfahrungen) wirken auf unsere innere Welt (Geist, Gedanken, Gefühle, Psyche,…) ein.

Man möge diese letzten beiden Sätze mal auf sich wirken lassen, im Kontext unserer Möglichkeiten auf diese Aussage bezogen. Ist das nicht faszinierend?

Doch kommen wir nun zum Begriff „Spiritualität“

Der Psychologe Rudolf Sponsel definierte Spiritualität als „Beschäftigung mit Bewusstseins-, Sinn- und Wertefragen der Welt, der eigenen Existenz und seiner Selbstverwirklichung im Leben“.

Die Erfahrungen innerhalb des menschlichen Geistes würden hier weniger von äußeren Reizen beeinflusst. Denn es geht ausschließlich darum, wach und sich allem – vor allem seiner Selbst -bewusst zu sein. Das Ich im Du finden oder anders gesagt: Ich bin, weil Du bist. Es geht im Grunde um Mitgefühl, Mitfreude, Selbstdefinition, Selbstliebe und Selbstwirksamkeit. So weiß ein spiritueller Mensch im tiefsten Inneren, dass er weder der Körper, noch die Gedanken oder die Gefühle ist, aber Alles mit Allem verwoben ist, dass der Tod eine Illusion ist u.v.m.

Zu spirituellen Ereignissen zählen unter Anderem Nahtod-Erfahrungen, (Lucid-)Träume, außerkörperliche Erfahrungen, Déjà-Vu, Transzendenz, Einheitserfahrung und so weiter.

Ein spiritueller Tür-Öffner, zur Bewusstwerdung der Innenwelten, ist die Praxis von Meditation. Warum? Weil die Natur des menschlichen Geistes unstetig ist und ständig hin- und herzappelt, etwas begehrt oder ablehnt. Das führt natürlich zu unbewusstem Verhalten und Leid in Folge einer falschen Identifikation.

Im meditativen Zustand ist der Geist fokussiert (Ekagrata), ruhig und klar. Gefühls- und Gedankenmuster werden dadurch wahrnehmbar und können wertfrei beobachtet werden. Aus dieser Beobachter-Rolle heraus, können wir – wie zum Beispiel bei Vipassana – die immanente Vergänglichkeit erfahren. Das hat eklatante Auswirkungen auf unsere Lebensanschauung und somit auf unsere Lebensenergie.

Meditation ist im Grunde keine Übung, sondern ein Zustand, der eintreten kann und sich in einer Vision des Höheren zeigt, aus einer Vogelperspektive, wo die kleinen Schmerzen des Alltags und das Ego-Bewusstsein zurücktreten. Wir Kinder der 70er-Jahre kennen übrigens noch die österreichische Variante von Meditation: Narren-Kastl-Schauen.

Bei regelmäßig Praktizierenden stellt sich eine Art „Flow-Zustand“ auch im Alltag ein. Demut, kontinuierliche Dankbarkeit und Wonne entfalten sich daraus. Der Beobachter, das Objekt der Beobachtung (z.B. Atem, Körper oder Baum) und die Handlung des Beobachtens verschmelzen, sie werden EINS. So gelangen wir allmählich vom ICH zum WIR.

Also wenn das kein Geschäftsmodell in Zeiten wie diesen sein soll? Doch ist die eigentliche Übung, erwartungslos und absichtslos zu meditieren. Immerhin möchte das Leben uns überraschen.

Meinem Gefühl nach nähern wir Menschen uns dem Einheitsbewusstsein insbesondere über das Innehalten in der Natur und dem Erkenntnisreichtum dabei. Mich berührt  beispielsweise die Vorstellung, dass die Erde unser größerer Körper ist. Damit wären wir wieder bei obiger Begriffsdefinition von Esoterik. (so wie im Kleinen, so im Großen).

Wie du siehst beginnen die beiden Begriffe ineinander zu greifen. Man kann sie nicht immer klar voneinander trennen, so wie kaum etwas in der Natur. Alles ist ineinander verwoben.

Naturspiritualität

An dieser Stelle möchte ich Dich zu einer Erfahrung einladen: Zu einem Rendez-Vous mit einem Baum. Dazu schließe die Augen und visualisiere dir – mit dem inneren Auge -folgendes Bild:

  • Du verweilst mit dem Rücken an einer großen warmen Eiche – im Stehen oder im Sitzen – je nach Belieben. Mach dir die „symbiotische“ Atemverbindung zu diesem Sauerstoff(Energie-)spender bewusst.
  • Nach einigen Atemzügen lenke deine Aufmerksamkeit auf die Eiche. Versuche ihren Energiekörper wahrzunehmen. Dein Atem fließt jetzt ganz natürlich, ruhig und gelassen. (ca. 1 – 3 Min. lang)
  • Nun spüre achtsam in deinen eigenen Körper hinein, d.h. offen, erwartungsfrei, wertfrei, absichtslos, neugierig, forschend, kindlich-staunend und akzeptierend für alles, was sich im gegenwärtigen Moment zeigt. (ca. 3 – 10 Min. lang) Beobachte, wo in deinem Körper (auf welcher Ebene) sich Energie zeigt. Wo genau in deinem Körper wird Lebendigkeit spürbar? Eher am Kopf? In den Füßen und Beinen? Im Bauch oder Rücken? Oder anderswo? Das kann sich zeigen in Form von Pulsieren, Vibrieren, Kribbeln, Ziehen, Spannung oder einfach durch Wärme.

Je nach Außentemperatur empfiehlt sich’s, die Übung im Freien, direkt beim Baum – sitzend, stehend oder liegend – zu praktizieren. Solltest du nichts Beschreibbares dabei spüren, ist das auch OK, wohlwissentlich, dass es Übung braucht, Energiekörper wahrzunehmen.

Solche und weitere, teils ganz andere, Übungen praktizieren wir beim Waldbaden und auch in Innenräumen (mit der Kraft der Imagination). Denn dank Forschungspublikationen in Science und Nature, den anerkannten Wissenschaftsmagazinen, wissen wir heute um die Wirkungsrelevanz von Bildern und Vorstellungskraft auf körperlich-hormonelle, seelische sowie energetische Prozesse. ShinrinYoga nutzt die Synergien zwischen inneren Waldbildern bzw. realen Waldaufenthalten mit Achtsamkeitstraining.

Zudem fand ich’s spannend, während der letzten Jahre, Studierende an der Donau-Uni-Krems (Natural Medicine) und an der Boku-Wien – teils als Betreuerin – bei ihren Masterthesen begleiten und selbst als Probandin mitwirken zu dürfen, z. B. im Rahmen der Forschung zur Dissertation von Clemens Arvay.

Nach mittlerweile 40 Jahren internationaler Forschungsarbeit in Naturmedizin und Waldbaden sprechen die Ergebnisse für sich. Zu den signifikantesten zählen: Reduktion von Stress und Ängsten, Stärkung von Immun- und Nervensystem, Aktivierung von Herz und Kreislauf, Verbesserung von Stimmung und Schlaf, Positive Auswirkungen auf Hormonsystem, Senkung von Blutzuckerspiegel und Blutdruck, Erhöhung des DHEA (Herzschutzhormon) und der Abwehrzellen (Natürliche Killerzellen), Anhebung von Konzentration und Kreativität u.V.m.

Ganz zu Schweigen von den spannenden Ergebnissen aus der Meditationsforschung. Doch das it Thema bei unserer Waldbaden-Ausbildung.

Nun gibt es ein Thema, woran ich selbst empirisch dran bin. Dazu würde es mich freuen von Dir zu erfahren:

Wo genau im Körper hast du die Eiche, bei oben beschriebener Übung, am deutlichsten gespürt?

Die Empfindungen unterschiedlicher Menschen bei bestimmten Bäumen beobachte ich schon lange. Anhand dieser Informationen nähere ich mich – wie’s scheint – allmählich einer „subjektiv verifizierten Objektivität“.

Und so freue ich mich darauf, dieses Energie-Thema bald weiter unter die Lupe nehmen zu dürfen. Wer weiß, was da noch alles kommen darf.

In diesem Sinne DANKE, von Herzen, für Deine Rückmeldung 🙏💚🙏

Mit biophilem Gruß

Mag.a Angelika M. Gierer
office@shinrinyoga.at

 

Farne